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App & Software
Beobachte die Wahrnehmung deiner Nutzer und nutze diese zur Weiterentwicklung

Beobachte die Wahrnehmung deiner Nutzer und nutze diese zur Weiterentwicklung

Echtes Nutzerfeedback hilft die Bedürfnisse und Anwendungsgewohnheiten besser zu verstehen. Vor allem lassen sich in Anwendungsstudien interaktive Lösungen überprüfen, bevor sie in die kostenaufwändige Entwicklung gehen.
Viele Menschen kennen die Erzählung Die blinden Männer und der Elefant. Die blinden Männer untersuchen unterschiedliche Bestandteile des Elefanten (Symbol für die Realität und Wahrheit) und die Beschreibungen fallen unterschiedlich aus. Es kommt darauf an, von welchem Blickwinkel man den Elefanten oder das sogenannte Unbekannte betrachtet und mit welchem Detailgrad man seine Beobachtung beschreiben bzw. auswerten kann. In der Praxis werden digitale Anwendungen und das Nutzerverhalten im Idealfall gemeinsam beobachtet, ausgewertet und weiterentwickelt, und je nachdem an welchen Stellen es Verbesserungen in den Interaktionen geben kann, werden neue Lösungen entwickelt, die wiederum mit echten Nutzern getestet werden. Wie Nutzer eine Anwendung verstehen und wahrnehmen, sollte in der Produktentwicklung eine zentrale Rolle spielen (Human Centered Design). In der Wissenschaft kann Verhalten quantitativ und qualitativ untersucht werden. Welche Form der Nutzerstudie für die Verbesserung einer Anwendung in Frage kommt, kommt darauf an, was für Fragen geklärt werden sollen und welche Art von Problemen behoben werden sollen.

Quantitative Nutzerstudien
Quantitative Nutzerstudien zielen auf eine Bandbreite von über 100 bis 2.000 Probanden ab, die stichprobenhaft mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens überprüft werden. Dafür beauftragen namhaften Firmen oftmals Marktforschungsunternehmen, die Umfragen erstellen, durchführen, auswerten und Verbesserungen für den Auftraggeber zusammenzustellen. Diese Umfragen können klassisch per Post als Fragebogen an ausgewählte Haushalte versendet oder digital per Online-Fragenkatalog einem größerem Publikum angeboten werden. Das Ziel der Datenermittlung sollte es sein, allgemeinere Schwerpunkte oder Einstellungen zu klären. Die Massenbefragung macht vor allem am Anfang der Produktentwicklung Sinn, um eine Übersicht über die Bedürfnisse der potenziellen Zielgruppe erstellen zu können, anhand welcher die Grundvoraussetzungen entwickelt werden können. Bei großen Unternehmen mit breiter Produktpalette können die Kundeneinstellung und -wünsche ein relativ aussagekräftiges Bild über die aktuelle Entwicklung vermitteln, auf dessen Basis strategische Entscheidungen über das Bestehen und die Weiterentwicklung getroffen werden können. In der App- und Softwareentwicklung könnten quantitative Umfragen weniger aussagekräftig sein, denn digitale Anwendungen müssen zwar allgemein von den meisten Menschen verstanden werden, dennoch sind die Bedürfnisse meist zu sehr auf eine bestimmte Gruppe von Nutzern ausgerichtet, sodass es schwierig werden könnte, geeignete Nutzer in der hohen Bandbreite ansprechen zu können. Im Internet unterbinden Adblocker zielgruppenspezifisch geschaltete Online-Umfragen auf Websites und die wenigsten Nutzer nehmen sich freiwillig die Zeit, um einen Fragenkatalog selbstständig durchzugehen, weshalb eine Umfrage meist über mehrere Kanäle, sowie über eine oder mehrere Kampagnen kommuniziert werden muss. Die Ergebnisse sind meistens sehr vage und oftmals bleiben genauere Fragen, auch im Zusammenhang mit dem persönlichen Hintergrund der Befragten, ungeklärt, weshalb sich diese Form der Nutzerstudie eher für die Aussage von Tendenzen (Statistiken) eignet.
Qualitative Nutzerstudien
Diese Form der Nutzerstudie erlaubt eine detaillierte Beobachtung mit einem ausgewählten Nutzerkreis von 10 bis 20 Probanden. Mit Hilfe von Einzelgesprächen und / oder Gruppendiskussionen (Workshops) mit thematischen Schwerpunkten und möglichst offenen Fragen können akute oder potenzielle Anwendungsprobleme nachhaltig gelöst werden. Qualitative Nutzerstudien erfordern einen höheren Zeitaufwand in der Vorbereitung, da Probanden und deren Nutzerverhalten individuell betrachtet werden bzw. können hier mehrere Anwendungsszenarien getestet werden. Meist ist ein ausgebildeter Psychologe der Interviewpartner, um ein Gespräch möglichst unvorhereingenommen führen zu können. Es gibt Agenturen, die die Vermittlung von geeigneten Nutzerprofilen anbietet und die Zusammenkunft zum Test organisiert. Die Durchführung einer qualitativen Nutzerstudien kann in einem Labor oder einem Beobachtungsraum erfolgen. Während der Beobachtung können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen, z.B. kann mit Hilfe von Eye-Tracking Hardware wie Webcam oder Wearable Device verfolgt werden, wie die Augen des Probanden die Anwendung wahrnehmen. Aus den Aufnahmen kann ermittelt werden, wo die Aufmerksamkeit in der Benutzung besonders hoch gewesen war und welche Bereiche überhaupt nicht wahrgenommen werden bzw. nicht das Augenmerk des Nutzers auf sich ziehen. Es kann ebenfalls gemessen werden wie lange der Nutzer für die Vervollständigung einer Anwendung benötigt. Benötigt der Nutzer zu viel Zeit, dann scheint etwas mit dem Anwendungsmuster nicht in Ordnung zu sein, der Nutzer scheint über eine Interaktion zu lange nachzudenken. Im Idealfall sollte eine Nutzer möglichst wenig über Entscheidungen in der Ausführung von Interaktionen nachdenken. Die nächsten Schritte sollten schnell und unkompliziert ausführbar sein. Natürlich spielt die Schnelligkeit des Systems mit den Ladezeiten dabei ebenfalls eine Rolle. Bei einem qualitativen Nutzertest lassen sich Probleme erkennen, die bisher unerkannt geblieben waren. Als Produktbesitzer lassen sich plötzlich detaillierte Schwachstellen ermitteln, die ohne Nutzertest auf kurz oder lang eventuell dazu führen, weshalb Nutzer die Anwendung nicht benutzen oder Umwege entwickeln, die sie als störend oder besonders aufwändig empfinden. Solche negativen Erlebnisse in der Bedienung lassen sich oftmals schwer wieder gut machen. Der enttäuschte Nutzer wird im schlimmsten Fall der Anwendung den Rücken kehren und sich nach einer Alternative umsehen, meist ohne seine Beweggründe mitzuteilen. Letzteres kann vermieden werden, indem die Benutzerführung frühzeitig mit realen Nutzern überprüft wird.
Guerilla Studie
Diese Form der Nutzerstudie benötigt einen vergleichsweise geringen Zeitaufwand in einer eher spontanen Umgebung wie einem Café mit fünf bis zehn Probanden. Eine Guerilla Studie sollte dennoch gut vorbereitet sein, denn innerhalb von 10 bis 15 Minuten sollten schnell brauchbare oder vielmehr auswertbare Ergebnisse zusammengetragen sein, was eine besondere Herausforderung in der Studie darstellt. Oftmals machen Startup Unternehmen von der Guerilla Methode Gebrauch. In der Mittagspause werden z.B. Passanten auf der Straße oder Tischnachbarn in der Kantine mit einem Papierprototypen oder Clickdummy angesprochen, ob sie Interesse daran hätten, an einer Vision von einem Produkt oder einer speziellen Funktion in einer digitalen Anwendung mitzuwirken. In den meisten Fällen fühlen sich Menschen geschmeichelt, wenn sie nach ihrer Meinung gefragt werden bzw. wenn man ihnen weiterhin offene Fragen stellt, die dazu einladen Lösungswege zu verbessern oder neu zu entwickeln. Die geringe Zahl an Probanden kann relativ frühzeitig für Klarheit über bestehende Schwachstellen in den Überlegungen oder in dem Produkt sorgen. Dabei muss der Prototyp meist gar nicht so sehr viel Komplexität abbilden. Die ungezwungene Umgebung motiviert die Gesprächspartner Bereiche spontan näher zu erläutern. Guerilla kann schnelle Ergebnisse liefern, der Interviewpartner sollte aber in jedem Fall ein charmantes und selbstbewusstes Auftreten haben. Unsicherheiten oder Nervosität beim Interviewer wirken sich negativ auf einen Guerilla Test aus, da der Testnutzer von dem eigentlich Ziel abgelenkt werden wird oder dem Gespräch eher abgeneigt eingestellt ist. Ähnlich wie in der qualitativen Nutzerstudie kommt es bei dieser Gesprächs Inszenierung auf Menschenkenntnis und Empathie an. Menschenkenntnis aus dem Grund, weil der Interviewer in kurzer Zeit erkennen muss, wer offen genug wäre sich einem Nutzertest zu stellen und Empathie, um die Antworten und Reaktionen der ausgewählten Person interpretieren bzw. auf das Verhalten eingehen zu können.

Zusammenfassung
Nutzertests, ob einmalig oder in regelmäßigen Abständen, haben den Vorteil, die eigenen Annahmen mit echten Nutzern auf ihre Anwendbarkeit und allgemein Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen. Prioritäten können mit Hilfe von Nutzerbefragungen festgelegt werden. Dadurch wird vermieden, dass man die eigene Herangehensweise in der Entscheidungsfindung blind auf seine Nutzer überträgt und zweitens werden Fehlinvestitionen in der Entwicklung von Funktionen aufgehalten. Die in diesem Artikel vorgestellten Vorgehensweisen können getrennt oder in Kombination zur Überprüfung der Akzeptanzkriterien und der Priorisierung in der Planung von Funktionen angewendet werden. Visionen lassen sich meistens kostengünstig und schnell mit  einfachen Prototypen überprüfen. Bereits entwickelte Produkte brauchen jedoch eine größere Vorbereitung einer Nutzerstudie, die interaktiven Prototypen müssen möglichst klare Anwendungs Erlebnisse kommunizieren.  Es gilt, je besser eine Studie vorbereitet wird und demnach die Ziele für die Datenermittlung klar definiert sind, desto aussagekräftiger werden die Ergebnisse ausfallen und umso effektiver lassen sich nach erfolgter Testauswertung konkrete Maßnahmen nachhaltig umsetzen. Ein Abgleich verschiedener Ansichten (reale Nutzertests) und technologischer Absichten (digitale Problemlösungen bzw. Innovationen) kann nicht nur ein Produkt oder eine Dienstleistung nachhaltig verbessern, sondern auch die dazugehörigen Kundenbeziehungen.