Interview mit IAM MIA // Einblicke in die Produktentwicklung
Wie lange arbeitest du schon als Produktentwicklerin und wie kam es dazu?
Ich bin ursprünglich gelernte Grafik Designerin. Nach dem Abitur in Berlin habe ich fünf Jahre in England gelebt, wo ich Kommunikationsdesign studierte. Für meinen Masterstudienabschluss habe ich ein Produkt entwickelt, das Typografie Studenten die Entwicklung von neuen Schriftschnitten erleichtern soll. Meine Masterarbeit konzentrierte sich auf die Zusammenhänge zwischen Form, Gegenform und Raum. Mit meinem Prototypen testete ich mit Studenten an der University of Reading deren experimentelles Verhalten und generell fiel das Feedback zu meiner Entwicklung positiv aus. Neben der analogen Interaktion mit meinem Prototypen interessierte ich mich schon damals für digitale Produktlösungen und entwickelte ein Computerspiel, das ich mit einem Entwickler in Adobe Flash umsetzen ließ. Seitdem habe ich immer wieder neue Produktideen, sei es im Beruf oder im Privatleben.
Wie sehen deine Produktentwicklungen im Privatleben aus?
Vor der Geburt meines Sohnes hatte ich eine Vorliebe für DIY-Projekte und überlegte immer wie ich meine damalige 1 1/2 Zimmerwohnung räumlich optimieren konnte. Zudem hatte ich zwei Kater, denen ich mehr Kletter- und Versteckmöglichkeiten bieten wollte. Ich liebte es in Baumärkten nach Materialien zu schauen und anhand von Skizzen diese passend zurecht schneiden zu lassen bzw. mit Freunden und Verwandten zu installieren. Meine Home-Brew Kreationen blieben hingegen immer Prototypen. In meinem Beruf liebe ich es die Prototypen zum verkaufskräftigen Produkt weiterzuentwickeln.
Wie kann man sich den Ablauf einer Produktentwicklung vorstellen?
Am Anfang jeder Produktentwicklung steht immer die detaillierte Auseinandersetzung mit jeder Problemstellung. Dabei empfiehlt es sich Problemstellungen und erste Lösungsansätze zu kategorisieren, z.B. in Haupt- und Nebenprobleme bzw. in pragmatische und emotionale Lösungsansätze. An dieser Stelle können die Perspektive von Nutzern mit ihren emotionalen und sozialen Aspekten eine wesentliche Rolle spielen und es kann sich lohnen relativ am Anfang Nutzerbefragungen stattfinden zu lassen, denn die Zielgruppe sollte möglichst frühzeitig in die Annahmen und Beobachtungen mit einbezogen werden. Parallel findet die Marktrecherche und die damit zusammenhängende Konkurrenzanalyse statt. Es wird überprüft, wie bestimmte Probleme bereits von anderen Unternehmen gelöst oder im Ansatz verfolgt wurden. Die allgemeine Sprache zur Vermarktung vom Produkt kann hier bereits schon mit einfließen und die Verwendung von bestimmten Kanälen, um Vertrieb und Marketing auf strategische Markenbotschaften und Kampagnen vorzubereiten. Abhängig von jedem Vorhaben in der Produktentwicklung kann der Analyse und Rechercheteil von Beginn an intensiv ausfallen oder wiederholt in einzelnen Etappen angesetzt werden, die das Projekt aktiv begleiten. Wichtig ist sich im ersten Teil als Team einen Überblick zu verschaffen, möglichst dicht am Marktgeschehen mit der Aussicht als Produktteam einen nachhaltigen Bereich zu erschließen und neu auszugestalten. Sämtliche Ergebnisse aus der Recherche bestimmen elementare Funktionen, auf die es ankommen wird und die letztendlich das Formbild bis hin zur Verwendung von bestimmten Technologien, Frameworks oder sogar Materialien mitgestalten. Sind die technischen und gestalterischen Anforderungen bekannt, dann kann die Prototypenentwicklung beginnen. Hier macht es Sinn möglichst frühzeitig wieder einen Recherecheanteil mit einfließen zu lassen, zum Beispiel in Form von Nutzerfeedback. Je früher echte Zielgruppen ihre Perspektive auf gezielte Lösungsansätze wiedergeben, desto eher kann vermieden werden, dass eine Produktentwicklung die falschen Ziele verfolgt.
Die Produktentwicklung ist kein linearer Prozess, sondern iterativ - Es werden Annahmen für die Lösung von bestimmten Problemen formuliert und diese aktiv überprüft und ggf. verbessert. Neue Erkenntnisse werden dazu genutzt die zeitliche Planung und Organisation für die Umsetzung genauer zu definieren. Ein Produkt kann innerhalb von drei bis sechs Monaten marktfähig sein, das hängt aber davon ab wie kompetent und erfahren die Mitglieder eines Produktteams sind. Der ganzheitliche Blick zwischen den einzelnen Bereichen in der Produktentwicklung ist entscheidend, den zumindest der Product Owner und Produktteamleiter haben sollten.
Welche Einstellung und welche Herangehensweise an Problemstellungen empfiehlst du Produktteams?
Allgemein empfehle ich jedem Teammitglied immer neugierig zu bleiben und für jede Form von Lösungsansatz offen zu sein. Voreilige Entscheidungen können sich im Laufe der Produktentwicklung als sehr nachteilig herausstellen. Die eigenen Annahmen und die von anderen, zum Beispiel anderer Teammitglieder oder der Zielgruppe, sollten ernst genommen und überprüft werden. Innovation entsteht nicht einfach aus dem Nichts, innovative Lösungen für bestimmte alltägliche Probleme entwickeln sich auf kurz oder lang aus möglichst differenzierten Perspektiven. Kein Teammitglied oder ein Mitglied einer Zielgruppe ist allwissend, jede Sicht der Dinge kann individuelle Relevanz haben und ein Produkt nachhaltig positiv beeinflussen.